Matschige Tomaten sind doch für was gut

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Pilotprojekt in der Zentralafrikanischen Republik

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Niemand weiss so recht, was im Land vorgeht, wie ein Haus ohne Fenster. So bezeichnete eine Entwicklungshelferin die Zentralafrikanische Republik. Diesen Sommer habe ich das Land – das auf dem letzten Platz des Welthunger-Index¹ steht – zum ersten Mal besucht. Mit Frauen vor Ort habe ich gekocht und gezeigt, wozu matschige Tomaten und Gemüseabfälle gut sind.

«Sollte man da nicht schönere Tomaten kaufen?», fragt mich Nathalie kritisch. Sie zeigt auf den Sack mit den matschigen Tomaten. Sie sind kurz vor dem Verfaulen und sehen wirklich fürchterlich aus. Ich habe Petula angewiesen, auf dem Markt die weichen Tomaten zu kaufen. Sie hat mich beim Wort genommen. Der Sauce ist es egal, wie die Tomaten mal ausgesehen haben und das erkläre ich den umstehenden Frauen. Nathalie bleibt skeptisch. Erst recht, als ich die Frauen bitte die Rüstabfälle und Zwiebelschalen nicht wegzuwerfen. «Aber das ist doch Abfall, was willst du denn damit machen?», entsetzen sich die Frauen. «Wartet ab», beruhige ich die Damen, «ihr werdet staunen.» Und ich habe nicht zu viel versprochen.

Die Menschen auf dem letzten Platz

«Kann uns jemand zeigen, wie man Gemüse haltbar macht?» schreibt Obadiah aus der Zentralafrikanischen Republik. «Während der Erntezeit haben wir immer viel zu viel Gemüse, das dann schlecht wird», fügt er an. Agape international hat eine Schulung für das «Gärtnern nach biblischen Prinzipien» (biologisch) in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik ermöglicht. 2023 hat eine Woche lang ein Experte aus Kamerun Leute vor Ort geschult. Seither haben die Teilnehmenden kleinere oder grössere Gärten in ihren Hinterhöfen angelegt. Das eigene Gemüse entlastet die Familien, denn das Leben in Bangui ist teuer. Die Zentralafrikanische Republik hat Jahre der Krise hinter sich. Verschiedene Rebellengruppen haben seit 2013 Häuser geplündert, Menschen verstümmelt, vertrieben und ermordet. Im Osten des Landes sind sie noch aktiv, aber in Bangui ist der Alltag eingekehrt. Friedenstruppen sowie Partner aus Ruanda und Russland haben die Rebellen zurückgedrängt. Doch die vielen Panzerfahrzeuge mit dem Gewehr im Anschlag zeigen auf, wie heikel der Frieden ist. Die Menschen in der Stadt sind froh, können sie wieder ihrem Alltag nachgehen, auch wenn er viele Herausforderungen mit sich bringt. Die meisten haben Strom, trotz regelmässiger Ausfälle. Doch viele haben kein fliessendes Wasser, kochen auf dem Feuer und nutzen ein Plumpsklo im Hinterhof. Die Zentralafrikanische Republik belegte 2023 den letzten Platz im Welthunger-Index. 48,7 % der Bevölkerung zählt als unterernährt. Grund genug für mich, meinen geplanten Aufenthalt in Bangui zu verlängern und einen Workshop übers Konservieren anzubieten.

Nichts wird verschwendet

Auf dem Holzfeuer blubbert die Tomatensauce. Nebenan steht ein Kohlekocher mit einem grossen Wassertopf. Darin sterilisieren wir alte Mayonnaisegläser. Die Frauen schauen fasziniert zu, als ich das Prinzip vom «Heiss Einfüllen» erkläre. Diese Konservierungsmethode eignet sich besonders gut im tropisch-warmen Klima. Die Frauen haben zuvor schon alte Gläser gesammelt. Mir war es ein Anliegen, kein Material aus der Schweiz mitzunehmen, um keine unnötigen Abhängigkeiten zu schaffen. So können die Frauen die Techniken ihren Nachbarinnen und Freundinnen lehren. Fleissig machen sich die Damen Notizen oder zücken das Smartphone². und filmen, um nichts von meinen Erklärungen zu verpassen. Als die gefüllten Gläser zum Abkühlen auf dem Tisch stehen, kommt der Höhepunkt des Tages: die Bouillon. «Ich hätte nie gedacht, dass die Abfälle noch für was gut sind», meint Achille erstaunt, «du verschwendest wirklich gar nichts.» Tags darauf erkläre ich den Frauen, wie sie Früchte in Zuckersirup einkochen und wir machen Gurken süss-sauer. Nathalies anfängliche Skepsis hat sich schon lange in Begeisterung verwandelt: «Weisst du, nach der Tomatenernte hat es immer so viele Früchte auf dem Markt, dass einige schlecht werden und sie die Leute wegwerfen. Ich hätte nicht gedacht, dass man die matschigen Tomaten noch nutzen kann. Die Konservierung muss ich unbedingt den Frauen in den Dörfern zeigen, die ich besuche.»

Die Zeit mit den Frauen in Bangui habe ich genossen. Ich durfte in ihre Welt eintauchen und wurde freundlich empfangen. Sie haben mit mir ihr Haus und ihr Essen geteilt. Ich freue mich, durfte ich ihnen Wissen weitergeben, dass ihnen das Leben erleichtert. Und ich freue mich, dass Achille nun Mangos auch ausserhalb der Saison geniessen kann.

 

¹ https://www.globalhungerindex.org/de/car.html

² Auch bei Leuten, die kaum genug zum Leben haben, ist das Smartphone weit verbreitet. Es ermöglicht den Kontakt mit der Familie, da es keine Festnetztelefone oder eine funktionierende Post gibt. Auch kann sich kaum jemand einen Computer leisten.

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